Die Schweiz hat am Mittwoch zwei neue Bundesrätinnen gewählt. Aber wer wählt den Bundesrat eigentlich? Und welche Aufgaben nimmt er in der Schweiz wahr? Sechs Fragen und Antworten zur bevorstehenden Wahl.

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Was macht der Schweizer Bundesrat eigentlich? 

Der Bundesrat besteht aus sieben Personen und bildet die Exekutive der Schweiz. Jeweils ein Mitglied steht dem Kollegium für ein Jahr als Bundespräsident vor. Der Bundesrat leitet als Regierungskollegium die Verwaltung, schlägt Gesetze vor und vollzieht sie. Im Durchschnitt entscheidet der Bundesrat über mehr als 2000 Geschäfte pro Jahr.

Seine sieben Mitglieder haben eine Doppelrolle inne: Sie sind sowohl Teil der Regierung als auch Vorsteher eines Departements. Wer welches Departement (Ministerium) übernimmt, machen die Regierungsmitglieder unter sich aus. Derzeit zählen Ueli Maurer (svp.), Guy Parmelin (svp.), Alain Berset (sp.), Simonetta Sommaruga (sp.), Ignazio Cassis (fdp.zum Bundesrat. Für die abtretenden Johann Schneider-Ammann (fdp.), und Doris Leuthard (cvp.) wurden am Mittwoch Karin Keller-Sutter (fdp.) und Viola Amherd (cvp.) gewählt. Aktueller Bundespräsident ist Ueli Maurer.

Seit den Anfängen des Bundesrates – nach der Gründung des Bundesstaates 1848 – blieb die Anzahl der Bundesräte und der Departemente gleich, verändert haben sich hingegen deren Aufgabenbereiche: Das heutige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) beispielsweise hiess zu seinen Anfängen Postdepartement, dann Post- und Eisenbahndepartement und schliesslich Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement.

Bei seiner Gründung bestand der Bundesrat übrigens ausschliesslich aus Anhängern des Freisinns (heute FDP) – und dies sollte sich erst nach 43 Jahren ändern. 

Wie wählt die Schweiz ihren Bundesrat?

Im Gegensatz zum Parlament wird der Bundesrat nicht vom Volk gewählt, sondern von der Vereinigten Bundesversammlung. Diese besteht aus den beiden gleichgestellten Parlamentskammern: dem Nationalrat mit 200 Mitgliedern und dem Ständerat mit 46 Mitgliedern.

Die Mitglieder des Bundesrats werden bei den sogenannten Gesamterneuerungswahlen für eine Legislatur von vier Jahren gewählt oder bestätigt, eine zeitliche Begrenzung des Amts gibt es nicht. Die letzte reguläre Wahl fand 2015 statt. Gewöhnlich werden wieder antretende Regierungsmitglieder bestätigt. Eine Ausnahme bilden in der jüngeren Geschichte die Abwahl der damaligen CVP-Bundesrätin Ruth Metzler 2003 und jene des SVP-Urgesteins Christoph Blocher.

Die Vereinigte Bundesversammlung wählt das neue Bundesratsmitglied in geheimer Wahl und über mehrere Wahlgänge. In den ersten beiden Wahlgängen kann jede wählbare Person Stimmen erhalten – auch solche, die nicht kandidieren.

Ab dem dritten Wahlgang können nur noch Personen gewählt werden, die in den ersten beiden Wahlgängen Stimmen erhalten haben. Erreicht niemand das absolute Mehr, also über die Hälfte aller Stimmen, scheidet jene Person mit den wenigsten Stimmen aus. Das Prozedere wiederholt sich, bis ein Kandidat das absolute Mehr erzielt und damit gewählt ist. 

Im Anschluss an die Bundesratswahl wird der Bundespräsident – ein Mitglied des Bundesrats – für ein Jahr gewählt. 

Warum werden am 5. Dezember – mitten in der Amtsperiode – zwei neue Bundesräte gewählt? 

Während im Parlament oder in den kantonalen Regierungen Rücktritte zum Ende einer Legislatur üblich sind, sind diese im Bundesrat die Ausnahme: Seit 1911 gaben nur gerade 21 von 71 abtretenden Bundesräten ihren Rücktritt zum Ende der Legislatur bekannt, 70 Prozent dagegen erfolgten während der Amtsperiode. So auch die scheidenden Bundesräte Doris Leuthard und Johann Schneider-Ammann. 

Tritt ein Mitglied des Bundesrats zurück, erfolgt die Wahl des neuen Bundesrates in der Regel während der darauffolgenden Session. Das neu gewählte Bundesratsmitglied tritt sein Amt gemäss Verfassung spätestens zwei Monate nach der Wahl an. Viola Amherd und Karin Keller-Sutter werden das Regierungsamt per Januar 2019 in Angriff nehmen. 

Die beiden Nachfolgerinnen stammen aus denselben Parteien wie ihre Vorgänger. Weshalb?

Der Grund liegt in der sogenannten «Zauberformel», die allerdings in den letzten Jahren mehrmals ins Wanken geriet. 1959 einigten sich die vier wählerstärksten Parteien, die FDP, die CVP, die SP und die BGB (heutige SVP), auf folgendes Parteienverhältnis in der Landesregierung: 2:2:2:1. Die Formel ist ein Ausdruck der sogenannten Konkordanzdemokratie, in der möglichst viele Akteure in den politischen Prozess mit einbezogen werden sollten. Sie verhindert das in vielen Demokratien typische Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition.

Die Zauberformel galt bis ins Jahr 2003. Die SVP hatte die CVP bezüglich Wähleranteil inzwischen überholt. Bei den Gesamterneuerungswahlen holte sich die SVP im Sinne der Konkordanz einen zweiten Bundesratssitz – nämlich mit obengenanntem Christoph Blocher, der den Platz der abgewählten CVP-Bundesrätin Ruth Metzler übernahm. 

Im Jahr 2007 kam es zum erneuten Knall: Anstelle von Christoph Blocher wird in einem überraschenden Manöver Eveline Widmer-Schlumpf gewählt – die zwar auf kantonaler Ebene für die SVP politisiert, jedoch gar nicht kandidierte. Nach Überwerfungen in der eigenen Partei wechseln die beiden damals amtierenden SVP-Bundesräte Eveline Widmer-Schlumpf und Samuel Schmid zur neugegründeten Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP). Auf den Rücktritt Schmids folgte 2009 mit Ueli Maurer zwar wieder ein SVP-Bundesrat, jedoch war die einstige Zauberformel zunichte.

Nach Jahren der Unruhe bezüglich der Parteiverteilung im Bundesrat kehrte nach Widmer-Schlumpfs Rücktritt mit Guy Parmelin wieder ein zweiter SVP-Bundesrat in die Regierung zurück. Seither lautet die «Zauberformel» wieder 2:2:2:1 – 2 Bundesräte der FDP, 2 der SP, 2 der SVP, 1 Bundesrat der CVP.

Wie setzt sich der Bundesrat abseits der Parteien zusammen? 

Seit den Anfängen des Schweizer Bundesrates wurde Wert auf Föderalismus und die Repräsentanz sprachlicher Minderheiten gelegt. So zählte die Schweizer Regierung bereits 1848 ein Mitglied aus der Welschschweiz und eines aus dem Tessin. Eine ausgewogene Vertretung ist in der Bundesverfassung zwar nicht festgelegt, jedoch wird nur selten vom Verhältnis 5:2 (fünf Deutschschweizer, zwei Vertreter aus dem Tessin oder der Welschschweiz) abgewichen. Aktuell herrscht mit Alain Berset (Kanton Freiburg), Guy Parmelin (Kanton Waadt) und Ignazio Cassis (Kanton Tessin) gar ein Verhältnis von 4:3. Gesprochen wird während der Bundesratssitzungen übrigens in der jeweils eigenen Landessprache. Unabhängig der Sprache siezen sich die Bundesratsmitglieder übrigens in den Sitzungen – so soll Distanz gewahrt werden.

Die Fremdsprachenkenntnisse der Bundesratsanwärter werden im Vorfeld der Wahl gerne von Parlamentariern und Journalisten getestet – und sorgen nicht selten für das eine oder andere Schmunzeln.

Im Gegensatz zu den Sprachen legte die Bundesverfassung zu Beginn klar fest, wie die Kantone im Bundesrat vertreten sein dürfen: Nicht mehr als ein Bundesrat pro Kanton. So sollte eine Dominanz der grossen Kantone verhindert werden. Seit 1999 lässt die Schweizer Verfassung etwas mehr Spielraum: Es «ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind», heisst es darin. 

Tatsächlich haben seit 1848 die meisten Kantone mindestens einen Bundesrat gestellt. Die bevölkerungsstärksten Kantone Zürich, Bern und Waadt waren fast durchwegs vertreten. Hingegen gab es noch nie einen Bundesrat aus Schaffhausen, Uri, Schwyz, Nidwalden und dem Kanton Jura.

Und dann wären noch die Frauen: Nachdem die Schweiz 1971 das Frauenstimmrecht einführte, hielten auch die ersten Frauen im Parlament Einzug. Bis mit Elisabeth Kopp (fdp.) die erste Frau in den Bundesrat gewählt wurde, dauerte es aber noch bis 1984. Mit den neuen Bundesrätinnen Viola Amherd (cvp., Wallis) und Karin Keller-Sutter (fdp., St. Gallen) sind es insgesamt 9 Frauen, die bisher in die Landesregierung gewählt wurden.

Der Bundesrat wird nie vom Volk gewählt. Tatsächlich?

Seit 1848 wird der Bundesrat vom Parlament gewählt. Seine Volkswahl wird zwar immer wieder diskutiert, scheiterte jedoch schon mehrfachan der Urne. Doch: Während der ersten Jahrzehnte nach der Gründung gab es eine Art Volkswahl des Bundesrates. Gesetzlich vorgeschrieben war sie nicht, dennoch musste sie jeder amtierende Bundesrat über sich ergehen lassen: Wollte er in der Landesregierung bleiben, musste er in seinem Heimatkanton erst für die Wahl in den Nationalrat antreten. Wurde er in die grosse Kammer gewählt, galt seine Popularität beim Volk als erwiesen. Misslang der Einzug in den Nationalrat, musste er den Bundesrat verlassen. 

Diese sogenannte «Komplimentswahl» wurde von den meisten Mitgliedern des Bundesrates problemlos überstanden. Ulrich Ochsenbein verpasste 1854 den Einzug ins Parlament und war damit der erste Bundesrat, der auf diese Weise abgewählt wurde. Die Komplimentswahl verlor jedoch über die Jahre an Bedeutung und wurde noch vor Ende des 19. Jahrhunderts hinfällig.